Sonntag, 2. August 2015

Ein Bandscheibenvorfall - meine Geschichte !

Liebe Chrissie,
oh ja, so ein Tag im Spa kann wirklich Erholungswunder bewirken. Allerdings war mein Stress ja mehr "im Kopf" - daher hätte mich die Ruhe nur noch mehr zum Nachdenken gebracht und gerade jetzt hat Ablenkung gut getan.

Gerade in meinem letzten Post verspreche ich Dir einen Bericht über meine Rückengeschichte, da stellt sich heraus, dass meine Mama einen schweren BSV hat :( . Was für eine Ironie des Schicksals!!
Meine Geschichte beginnt allerdings bereits 2004, als ich auf Grund meiner Kreuzband-OP lange zu Hause war. In dieser Zeit konnte ich mein operiertes Bein nicht anwinkeln. Also bin ich, als mir einmal etwas auf den Boden gefallen ist, mit dem gesunden Bein in die Hocke gegangen um etwas aufzuheben und beim Hochdrücken ist es mir leicht in den Rücken gefahren. Ich bilde mir ein, dass in diesem Moment die Bandscheibe geplatzt ist.

Kurze Erklärung für alle die nicht genau Bescheid wissen: Die Bandscheiben befinden sich zwischen allen Wirbeln der Wirbelsäule sozusagen als Puffer, damit nicht Knochen auf Knochen reibt. Sie bestehen aus einem Faserring, der innen mit einer gallertartigen Flüssigkeit gefüllt ist. Platzt dieser Faserring auf Grund von zu viel Druck von einer Seite auf der anderen Seite auf, tritt schnell oder schleichend Flüssigkeit aus und drückt oft auf den naheliegenden Nerv.
Ich will nicht behaupten, dass das erst in diesem Augenblick passiert ist. Der jahrelange Sport und meine vererbten Gene (Papa und Opa hatten schon einen BSV und nun auch meine Mama) haben mir sicher nicht den besten Rücken mit auf den Weg gegeben. Aber wenn man jung und fit ist, macht man sich darüber leider zu wenig Gedanken. Gut möglich, dass sich alles über eine Vorwölbung ganz langsam zu einem Vorfall entwickelt hat (Vorwölbung = Protrusion, so nennt man die Vorstufe zu einem Vorfall = Prolaps).

2004 bin ich jedoch mit einem blauen Auge davon gekommen. Ich hatte Schmerzen, die sich über mehrere Wochen nach oben geschaukelt hatten, ein Ziehen von der Pobacke ins Knie, konnte nicht lange stehen, war aber trotzdem noch lange nicht so gehandicapt wie 2011 - hierzu weiter unten mehr.  Durch viel Sport und Kräftigungsübungen hatte ich alles schnell wieder im Griff und habe sogar wieder angefangen Basketball zu spielen. 2005 habe ich das dann wieder auf Grund meines zweiten Kreuzbandrisses, den ich übrigens nie hab operieren lassen, das Basketball spielen komplett an den Nagel gehängt. Ein neuer, schonender Sport musste her und ich fing Anfang 2006 an mit Fitness und Krafttraining. Im Sommer bereits hatte sich das Training bemerkbar gemacht und ich war sehr zufrieden mit meinen Fortschritten : Mein Knie konnte ich ohne Schmerzen belasten und meinem Rücken ging es wunderbar ! Schon einmal habe ich also das Krafttraining einer OP vorgezogen.

2011 ging ich die Sache dann leider auf Grund meiner positiven Erfahrung falsch an.
Ich habe sämtliche Warnsignale, die mein Körper mir gegeben hatte, ignoriert bzw. habe nicht sofort die Notbremse gezogen. Wer hätte auch ahnen können, dass alles so schlimm wird. Ich bin da leider auch unverbesserlich und sicher hätte kein Mensch auf der Welt mich dazu bringen können, besser auf mich aufzupassen. Alles Zureden meiner Familie doch etwas kürzer zu treten hatte nichts gebracht (kommt mir grad irgendwie bekannt vor, Mama :).
Bereits im August habe ich bei einem Städtetrip nach Mailand mit meiner lieben Biggi vor lauter Shoppen meine Rückenschmerzen beiseite geschoben. Ich hatte Abends ziemliche Schmerzen, wollte aber trotzdem Abends nochmal nach Mailand rein, anstatt wie von Biggi vorgeschlagen einfach im Hotel zu bleiben. Nach diesem Kurzurlaub ging es mir wieder besser und ich nahm noch so einiges mit in den nächsten Tagen : Weindorf in Stuttgart, Party hier, Party da. Am 29.8 hatte ich dann einen Arzttermin bei meinem Orthopäden. Der schaute sich meinen Rücken an, machte eine Röntgenaufnahme und sah, dass meine Wirbel sehr nah aufeinander sitzen - sprich ein Indiz für einen weiteren Verschleiss und BSV. Ich bekam eine Überweisung zur MRT.

Da der Termin aber erst am 21.9 war ging es für mich weiter "business as usual" - viele Unternehmungen, Partys, Festle und wenig Schonen! Als Highlight stand noch ein Kurzurlaub auf Mallorca mit dem Liebsten auf dem Plan (16.9). In diesem Urlaub habe ich gemerkt, dass definitiv etwas anders ist an diesem BSV (Ich machte mir kaum Hoffnung, dass es keiner sein könnte), denn ich konnte nur wenige Minuten gehen bis Schmerzen einsetzten. Ich weiß noch, dass mein Mann mich damals immer gestützt hatte beim Laufen, wir mieteten uns Räder um meinen Rücken zu entlasten, aber wirklich genießen konnte ich den Urlaub vor Schmerzen nicht. Zurück in DE hatte ich direkt am 21.9 den MRT-Termin: Schwerer BSV L4/L5 und L3/L4 !!! Kein Schock mehr für mich, nur die Gewissheit was Phase ist.
Ich dachte immer noch ich bekomme das wieder mit Sport hin - hatte ja beim letzten Mal super geklappt. Am nächsten Tag habe ich mir dann in meinem Fitness-Studio einen Trainingsplan aufstellen lassen, der rückenschonend ist und die Wirbelsäule komplett entlastet. Das wird schon alles wieder ! Daher dachte ich auch noch gar nicht daran, mein Leben etwas zu entschleunigen : Runde Geburtstage, Canstatter Wasen (in HighHeels wohl gemerkt!), Treffen mit Freunden, Wochenendausflüge und und und....dazwischen habe ich die verschriebene Krankengymnastik und Massagen reingeschoben. Leider habe ich das Sportprogramm nicht so durchgezogen, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Ich habe die Situation maßlos unterschätzt.

Mitte Oktober wurden die Schmerzen dann immer schlimmer. Vom bekannten Ziehen aus der Pobacke ins Kniegelenk kamen nun auch Schmerzen im Fuss dazu. Keine Besserung der Schmerzen mehr im Sitzen möglich. Da ich mich zudem jeden Tag zur Arbeit gequält hatte und nun mehr alles auch noch eine psychische Belastung wurde, da ich nicht mehr schmerzfrei schlafen konnte, musste ich mir am 20.10 eingestehen, dass ich nicht mehr kann. Ich bin heulend im Geschäft gesessen und wurde natürlich sofort heim geschickt. Im Nachhinein hätte ich mich schon viel eher krank schreiben lassen sollen, mein Arzt wollte das ja auch immer, aber ich habe mich zu lange gewehrt und gedacht, ich bekomme das alles irgendwie hin. Ein Riesenfehler im Nachhinein; ich hätte mir so vieles ersparen können, denn nun ging der Alptraum erst richtig los. Am nächsten Tag konnte ich gleich bei einer Osteopathin eingeschoben werden. Bittere Erkenntnis : Nicht einmal sie hatte sich zugetraut mich weiter zu behandeln. Ich ging weiterhin zur Krankengymnastik und zur Massage, was mir zwar gut tat, aber leider null Besserung brachte.

Ich habe zu der Zeit sehr viel recherchiert und mich belesen, Erfahrungsberichte geschmökert, die mich an den Rand der Verzweiflung gebracht haben, da sie fast durchweg negativ waren. Von Menschen, die arbeitsunfähig wurden, massive langfristige Schäden davon getragen haben, von missglückten OPs und psychischen Wracks! Am 25.10 ging ich zu einem Arzt, den mir mein Orthopäde empfohlen hatte, Dr. Mose in Tübingen. Er war sozusagen mein Retter, derjenige, der mir immer Mut gemacht hat das ganze ohne OP durchzustehen und das obwohl er Neurochirurg ist und guten Grund hätte, mir zu einer OP zu raten, schließlich verdient er damit seine Brötchen. Ich bekam neue Tabletten verschrieben, unter anderem Cortison. Nun nahm ich die folgenden Tabletten über den Tag verteilt : Ibu600, Novaminsulfon, magenschonende Tabletten, abends Neurexan, eine halbe Tetrazepam (Muskelentspann.Tablette) und nachts Valoron (höchste Schmerzstufe, die ein Orthopäde verschreiben darf).

Diese Tage waren die Hölle auf Erden. Ich konnte nichts mehr essen und nachts vor Schmerzen nicht schlafen. Tagsüber habe ich auch immer nur wenige Minuten geschlafen und jeder der schon einmal lange am Stück wenig Schlaf hatte weiß, dass das eine der schlimmsten Foltermethoden ist. Ich war am Abgrund, körperlich wie auch psychisch. Ängste nie wieder arbeiten zu können, nie wieder am Leben teilhaben zu können, vom Partner verlassen zu werden haben meinen Alltag begleitet und mich zu den körperlichen Qualen zusätzlich in den Abgrund gerissen. Meine Familie hat sich unglaublich Sorgen um mich gemacht, meine Mama hat sehr sehr oft bei mir übernachtet und alle haben sich rührend um mich gekümmert. Auch mein Mann hatte mir damals bewiesen, dass er immer zur Stelle ist wenn ich ihn brauche (damals noch Fernbeziehung) und trotzdem ist man leider in seinem eigenen Film gefangen und muss sich irgendwie Mut machen. Jeder Morgen war für mich eine pure Erlösung, denn nach jeder einzelnen dieser furchtbaren Nächte ging die Sonne wieder auf und ein neuer Tag, eine neue Chance tat sich auf. Morgens ging es mir zudem schmerztechnisch immer am besten und bin mutig und motiviert in jeden Tag gestartet.

Ich habe sehr viel Besuch bekommen von meinen Freundinnen, Kolleginnen und Familie, das hat unglaublich gut getan. Jeder hatte hier noch einen Tipp oder dort etwas gehört und ich habe nach jedem Grashalm gegriffen. Habe damals sogar mein schnurloses Telefon gegen eines mit Schnur getauscht, weil ich davon gelesen hatte, dass auch Strahlenbelastung Einfluss auf den Rücken hat. Ebenso habe ich mir ein Handy mit niedrigem SAR-Wert zugelegt und darauf geachtet mich basisch zu ernähren, denn auch die Übersäuerung im Körper habe Einfluss auf die Bandscheiben.
Die Tage vergingen und die Schmerzen wurden immer schlimmer. Nachts konnte ich nur noch schlafen, indem ich mir einen kleinen "Hügel" gebaut hatte, auf dem ich mich mit dem Bauch legte. Nur so war es möglich zumindest mal eine Stunde am Stück zu schlafen. Nach einer Stunde bin ich dann schweißgebadet vor Schmerzen aufgewacht. Ich nahm am Tag in der schlimmsten Phase ca. 15 Schmerztabletten im oben genannten Mix. Jeden Tag gab es entweder Physio-Therapie, Massage, manuelle Therapie oder ich habe irgendeinen neuen Arzt besucht um diverse Punkte abzuklären wie: In wie weit ist mein Nerv bereits beeinträchtigt ? Wie sehr ist meine Muskulatur bereits geschwächt?
Dazu war ich bei einer Neurologin, die die Leitfähigkeit meines gequetschten Nerven gemessen hatte und mir sagte, dass hier noch keine Not bestehe. Ebenso war meine Muskulatur noch in einem ganz akzeptablen Zustand. Trotzdem gab sie mir eine OP-Indikation auf Grund der extremen Schmerzen.

Mir war allerdings nur wichtig, dass ich noch "Zeit" hatte. Ich habe gelesen, dass ein Bandscheibenvorfall in der Regel zwischen 30 und 60 Tagen braucht, um sich zu regenerieren. Der Körper verfügt über Selbstheilungskräfte, die die ausgetretene Flüssigkeit dazu bringt quasi "zu verwelken" und damit der Druck sich auf den Nerv löst. Irgendwie habe ich daran geglaubt und weiterhin versucht mit konservativen Behandlungsmethoden dagegen anzugehen.
Trotzdem habe ich bei meinem nächsten Besuch bei Dr. Mose einen OP-Termin vereinbart, da er recht "voll" ist und ich nicht riskieren wollte, allzu lange nach einem Entschluss für eine OP warten zu müssen.

Ich bekam noch Akupunktur verschrieben und bin mit diesem neuen Hoffnungsschimmer an eine Schmerztherapeutin geraten - auch dieser Ärztin habe ich viel zu verdanken. Sie hat sich seeeeeeeehr lange Zeit genommen, sich meine komplette Geschichte angehört und hatte nach 2 Stunden Gespräch folgenden Plan: Akkupunktur soll ich vergessen ! Erst mal muss ich wieder schlafen können; sie verschrieb mir ein Anti-Depressivum, welches meinen Körper zur Ruhe kommen lassen soll. War zwar ein komisches Gefühl, aber sie gab mir ganz genaue Anweisungen, wie ich es einzunehmen habe um eine Sucht zu vermeiden. Des weiteren riet sie mir zu einer sogenannten "epiduralen Sakralanästhesie": die Injektion eines Narkosemittels und Cortison in die Öffnung des Wirbelkanals im Kreuzbein. Alles klar, bin ich sofort dabei ! Mein Vertrauen in sie und der Wille alles Konservative auszuprobieren trieb mich weiter voran. Die erste Behandlung bekam ich am 15.11, eine ambulante Geschichte die ca. 2 Stunden dauert (mit ca. 1 Std Überwachung der Herztöne und Körperfunktionen danach). Insgesamt waren 3 Sitzungen angesetzt. Am nächsten Tag konnte ich sage und schreibe 1 Std spazieren - wow! Die nächste Sitzung war am 22.11 und die letzte am 6.12. Da es mir bereits nach der ersten Sitzung besser ging, nach der zweiten noch besser und ich sogar fast schmerzfrei war, habe ich den OP-Termin natürlich wieder abgesagt. Ich war voller Freude und Hoffnung das ganze jetzt vollends ohne OP zu meistern.
Tatsächlich ging es mir nun von einem Tag auf den anderen wieder besser. Ich konnte manchmal mein Glück nicht fassen und habe jeden Abend auf die großen Schmerzen gewartet - aber sie blieben weiter aus.

Ich kann nicht sagen, was mir letztlich geholfen hat! Ich kann rückblickend betrachtet nur sagen, dass ich sehr froh bin mich nicht operiert haben zu lassen. Eine OP ist oft unumgänglich, aber meist wird sie jedoch viel zu früh in Betracht gezogen. Die Geduld und das Leiden haben sich bei mir gelohnt, ich weiß aber aus vielen anderen Erfahrungsberichten, dass dies nicht immer der Fall ist. Daher will ich nicht so tun, als wüsste ich über alles Bescheid. Ich kann nur von meinen ganz persönlichen Erfahrungen berichten und vielleicht kann der ein oder andere daraus ja Kraft schöpfen. Mir hätte eine solch positive Geschichte damals sehr geholfen.
Wer Fragen hat oder auch etwas zu diesem Thema beitragen möchte kann dies gerne über die Kommentare machen.

In diesem Sinne wünsche ich in erster Linie meiner geliebten Mama, dass alles wieder gut wird! Sie hat sich für eine OP entschieden, da der Nerv schon sehr angegriffen war und sich bereits erste Lähmungserscheinungen im Fuß gezeigt haben. Die OP verlief gut und wir sind sehr positiv, dass auch bei ihr alles wieder gut wird.

Heidi





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